Allianz-Vorsitzender besucht Fluchtlingslager
Herr, erbarme Dich! 4. September 2021Ekkehart Vetter, Alt-Präses des Mülheimer Verbands und nach wie vor Pastor der CG Mülheim und Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz verbrachte seinen diesjährigen Urlaub auf eine bemerkenswert unkonventionelle Weise: Seine Frau Sabine und er beteiligten sich ab dem 18. August für knapp 3 Wochen an einem praktischen Einsatz im Flüchtlingslager Kara Tepe auf Lesbos.
Halbzeit unseres Einsatzes im Flüchtlingslager Kara Tepe (Nachfolgelager des berüchtigten Lagers Moria) auf Lesbos. Hier leben aktuell ca. 4500 Menschen auf einer derzeitigen Dauerbaustelle, ca. 75% sind Afghanen. Wir arbeiten hier für eine NGO, die mit ca. 60-70 Helferinnen und Helfern in Kara Tepe aktiv ist.Es gibt eine ganze Reihe von Arbeitsbereichen, wo man sich engagieren kann. Unsere Hauptaufgabe bisher war, Menschen dabei zu helfen, innerhalb des Lagers umzusiedeln. Bisher lebten sehr viele in Zelten, unerträglich heiß im Sommer, den Unbillen des Wetters ausgesetzt im Winter. Zelte werden auch weiter bleiben, aber nun sind im Angebot 1. ISOBOX, ein schlichter „Wohn“container von 18m² Größe. Darin können Familien bis zu 8(!) Personen leben. Wenn die Familie aber nur 5 oder 6 Personen umfasst, dann musst sie die ISOBOX mit weiteren 2-3 Personen teilen – wohlgemerkt: 18m² teilen! Die „Trennwand“ ist eine Gardine! 2. sind im Angebot: RHU-Plastik-Häuser (https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/…/unterkunft/rhu).
Es gehört mit zu unseren Aufgaben, mit kräftiger spontaner afghanischer Hilfe diese Häuser aufzubauen – ebenfalls 18m² für eine Familie. Kein Wunder, dass sich praktisch alle mit Hilfe des Holzes von Paletten und Resten von OSB-Platten eine Art überdachte „Terrasse“ bauen – was sie offiziell nicht dürfen, aber wie soll man mit 6-8 Personen auf 18m² klar kommen?Am letzten Freitag gab es „new arrivals“, in diesem Fall Menschen aus dem Kongo, die nach ein paar Tagen Corona-Quarantäne nun in Kara Tepe einen Platz finden müssen. Mir wird ein Single-Mann aus dem Kongo anvertraut, den ich in seine neue Behausung führen soll: ein Riesenzelt (ca. 10x20m groß), in das ca. 20 Rigipsboxen eingebaut sind, jede ca. 12m² groß. Hier leben pro Box 4-5 Personen in Etagenbetten. Privatsphäre: 0,00. Es gibt diese Boxen für Single-Männer und Single-Frauen oder „kleinere“ Familien bis zu drei Kindern. Der jüngste Bewohner, den wir getroffen haben, war zwei Tage alt, gerade geboren, ein süßer Junge.Ohne nach ihnen zu suchen treffen wir einige Male Afghanen, die ein wenig deutsch sprechen. Sie haben mitgekriegt, dass wir aus Deutschland sind. („Deutschland ist guuut!“) Wir werden zum Tee oder zu einem Plausch auf Deutsch eingeladen, wenn wir ihnen begegnen. Die Geschichte ist jedes Mal gleich: Sie waren bereits in Deutschland, haben dort Verwandte, sind abgeschoben worden und sind nun auf dem „Rückweg“, in der „Sackgasse“ Kara Tepe.Es gäbe nach gut einer Woche schon viel mehr zu schreiben. Aber ich breche hier mal ab. Zwei Seiten einer Medaille aber zeichnen sich jetzt bereits sehr deutlich ab:1. Die wirklich beeindruckende Arbeit, die hier durch Hilfsorganisationen geleistet wird. Wir und unsere Volunteers-„Kolleginnen und Kollegen“ wollen Menschen, die oft verzweifelt und traumatisiert sind, etwas von der Liebe Gottes durch ganz praktische Hilfe zeigen, so bruchstückhaft dies auch sein mag.2. Leider wächst von Tag zu Tag gleichzeitig die Erkenntnis: Die Würde des Menschen ist leider, leider antastbar – auf europäischem Territorium. Dass, was wir uns als EU in den Flüchtlingslagern an den EU-Außengrenzen leisten, geht auf keine Kuhhaut. Dies muss ein Ende haben. Lager wie Kara Tepe müssen aufgelöst werden! Ich weiß, dass politische Lösungen nicht einfach sind und komplexe Zusammenhänge mit bedacht werden müssen, aber die jahrelange Unterbringung von kriegsgeschüttelten und durch Gewalt aller Art traumatisierten Menschen – das geht gar nicht. HERR, erbarme dich!