Die Mitgliederversammlung der Vereinigung Evangelischer Freikirchen über Kindesschutz, Menschenrechte und theologische Ausbildung
26. November 2021Gemeinde soll für Kinder und Jugendliche ein sicherer Ort sein, an dem sie vor Missbrauch und Gewalt geschützt sind. Dieses Anliegen bildete das Schwerpunktthema der Mitgliederversammlung der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF). Die Delegierten der 15 Mitgliedsbünde befassten sich bei der Online-Sitzung am 23. und 24. November auch mit dem „Zukunftsthema Pastorenausbildung“ und dem politischen Engagement der Freikirchen.
Berichte, wie Freikirchen sich für den Kindesschutz engagagieren, standen am Anfang der Sitzung. Oliver Gall, der Leiter des Fachbeirats „Sexueller Gewalt begegnen“ der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, beschrieb zunächst die grundsätzliche Bedeutung des Themas. Rechne man die Dunkelziffer ein, müsse man mit 240.000 Fällen von Kindesmissbrauch im Jahr in ganz Deutschland ausgehen. Eine Herausforderung von Gemeindearbeit sei, dass soziale Nähe im Gemeindekontext Tätern den Missbrauch erleichtern könne, wenn man nicht präventiv dagegen vorgehe. Deshalb sei seine Kirche in der Vorbeugung aktiv, mit einem Verhaltenskodex für Mitarbeitende, Publikationen und Schulungen. Wenn ein Missbrauchsfall gemeldet wird, ist bundesweit ausschließlich der Fachbeirat für die Bearbeitung zuständig. „Keine Weisungsbefugnis durch die Kirchenleitung, finanzielle Unabhängigkeit und absolute Vertraulichkeit der Gespräche mit den Opfern“ beschrieb Gall als einige der prägenden Merkmale der Arbeit des Fachbeirats.
Christian Rommert vom Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) stellte das Konzept seiner Freikirche vor, die seit 2008 „Auf dem Weg zur sicheren Gemeinde“ ist. Seit 2018 gibt es eine von Rommert mit entwickelte Anlaufstelle für Opfer sexueller Gewalt, bei der der BEFG mit einer unabhängigen externen Einrichtung zusammenarbeitet. Für Gemeinden sei es wichtig, für das strategische Vorgehen von Tätern sensibilisiert zu werden und Gegenstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Hier gibt es im BEFG umfassendes Material. Bischof Harald Rückert berichtete über Prävention und Intervention in der Evangelisch-methodistischen Kirche. Die Kirche hat verschiedene Materialien wie einen „Notfallplan“ herausgegeben. Für Missbrauchsopfer gibt es mehrere Kontaktstellen. Gemeinden, in denen Missbrauch stattgefunden hat, können externe Beratung in Anspruch nehmen.
In der anschließenden Diskussion schilderten Vertreterinnen und Vertreter anderer VEF-Kirchen über ihre Schutzkonzepte. Es wurde deutlich, dass die Bünde präventiv gut aufgestellt sind. Hinsichtlich der Intervention bei Missbrauchssituationen will die VEF prüfen, wie ein gemeinsames Vorgehen aussehen könnte, das ein – von den Kirchen unabhängiges – geregeltes Verfahren gewährleistet.
Antisemitismus, Menschenrechte, Verschwörungstheorien
Konstantin von Abendroth, der VEF-Beauftragte am Sitz der Bundesregierung, stellte aktuelle Schwerpunkte seiner Arbeit dar. Eines der Themen, mit denen er sich zurzeit vertieft befasst, ist der Einsatz gegen Antisemitismus. Der Politikbeauftragte erinnerte auch an das Schreiben der VEF-Arbeitsgruppe zum Weltflüchtlingstag „Menschenrechte sind #unverhandelbar“ und die Online-Veranstaltung „VEF im Gespräch“ zum Thema Verschwörungstheorien. Zudem berichtete er über seine Mitarbeit in der Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche und das Engagement der VEF bei der Interkulturellen Woche, für ihn ein „wertvoller Beitrag für das Miteinander unserer Vielfalts-Gesellschaft“.
Theologische Ausbildung
Prof. Dr. Michael Kißkalt, Rektor der Theologischen Hochschule Elstal, berichtete in der Mitgliederversammlung über die Treffen der von ihm geleiteten VEF-Arbeitsgruppe „Theologische Aus- und Weiterbildung“. Vertreterinnen und Vertreter aller freikirchlichen Ausbildungsstätten tauschen sich dort aus. „Die Hochschulen müssen immer wieder neue Wege gehen, um Menschen für das Studium und auch den pastoralen Dienst in den freikirchlichen Gemeinden zu begeistern“, so Kißkalt. Beliebt seien aktuell Studiengänge, in denen Theologie mit einem anderen Fachgebiet, etwa der Sozialen Arbeit, kombiniert wird. Ein fundierter theologischer Schwerpunkt sei für den Gemeindedienst jedoch unerlässlich. In der Diskussion schilderte auch Bischof Harald Rückert von der Evangelisch-methodistischen Kirche seine Beobachtung, dass sich „Rollenbilder von Pastoren sehr schnell ändern. Hier ist ein Austausch zwischen Hochschulen und Trägerkirchen wichtig.“ VEF-Präsident Christoph Stiba betonte, das Engagement der VEF-Arbeitsgruppe sei „bei diesem Zukunftsthema“ von hoher Relevanz. „Gerade im Bereich der theologischen Ausbildung gibt es für die Freikirchen gute Möglichkeiten der Zusammenarbeit.“
Gegenseitige Unterstützung
In ihren Berichten schilderten einige Delegierte die Herausforderungen im Umgang mit dem neuen Infektionsschutzgesetz. Es entwickelte sich ein Austausch darüber, wie hier gute Lösungen für die Kirchen und die Gemeinden aussehen können. Im Anschluss an die Sitzung stellte der BEFG den Delegierten ein Papier zur Verfügung, das beschreibt, was Gemeinden als Dienstgeber nun beachten müssen. Christoph Stiba hob hervor, dass es eines der Anliegen der VEF sei, dass sich die Bünde gegenseitig in ihrer Arbeit und ihrem gesellschaftlichen Engagement unterstützen.
VEF bekommt 2022 neues Vollmitglied
„Weil die Mitgliederversammlung wegen der Entwicklung der Pandemie kurzfristig online durchgeführt werden musste, wurde die Vorstellung der Apostolischen Gemeinschaft auf das nächste Treffen verschoben, das dann hoffentlich in Präsenz stattfindet“, so Christoph Stiba. Die Freikirche ist bisher Gastmitglied und möchte Vollmitglied werden. Zudem habe die Apostolische Kirche, die bisher nicht zur VEF gehört, Antrag auf Gastmitgliedschaft gestellt, wie Stiba berichtete. Die nächste Mitgliederversammlung findet am 12. April 2022 statt.
Dr. Michael Gruber, Pressesprecher der VEF