MV-Präses Ekkehart Vetter: Kirchentag sollte missionarische Themen stärker aufgreifen
9. Mai 2013Aus ca. 1000 Kehlen erschallt vor der Bühne an der Reeperbahn um 22.00 Uhr nach einem erfrischend jazzigen Abend in den klaren Nachhimmel hinein „Der Mond ist aufgegangen“, ca. 6 Strophen lang – das hat schon was, gerade an dieser Location, genauso wie das Vaterunser, von Zehntausenden rund um die Binnenalster als Abschluss des Eröffnungstages gesprochen.
600 Seiten Programm, 2500 Veranstaltungen, über 100.000 Dauerteilnehmer – ein bombastische Veranstaltung. Und es wurde viel Richtiges gesagt und viele, viele Themen angesprochen. Unter dem nach 2. Mose 16,18 frei übersetzten Generalthema „Soviel du brauchst“ war (soziale) Gerechtigkeit so etwas wie ein roter thematischer Faden. Es ging um Inklusion, um ethisches Wirtschaften und das friedliche Zusammenleben der Religionen. Der Einsatz von Drohnen wurde verurteilt, Uranmunition oder Kriegswaffenproduktion ebenfalls. Jeder konnte seine Themennische finden: Vom Stadtrundgang auf den Spuren des Klimawandels über geschlechtersensible Theologie bis hin zur African Prayer Night war alles da.
Nun fand der Kirchentag in einer Stadt statt, in der 1977 noch 64% der Gesamtbevölkerung evangelisch waren, während heute dieser Anteil nach EKD-Statistiken bei unter 30% liegt! Die Katholiken halten sich in etwa stabil bei 10 %, d.h. mittlerweile gehören weit über 50% aller Hamburger keiner der großen Kirchen mehr an, und insbesondere der Schwund bei den Evangelischen ist dramatisch!
Die sich verschärfende Existenzkrise der Ev. Kirche nicht nur in Hamburg, sondern in vielen deutschen Großstädten – die Programmmacher des DEKT scheint sie, ein Blick in 600 Seiten Programm zeigt dies deutlich, nicht besonders umzutreiben. Wie Kirche wieder missionarisch werden kann, wie sie Menschen zum Glauben rufen kann, wie sie den auferstandenen Jesus Christus ins Zentrum rücken kann, auch diese Nische konnte man auf dem Kirchentag finden – eine dringende Leitfrage der Großveranstaltung war dies beileibe nicht.
Noch vor dem Kirchentag hatte der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Nordkirche), Gerhard Ulrich (Schwerin), konstatiert: „Wir sind als Kirche immer dann gut, wenn wir bei unserer Sache sind.“ Und gleichzeitig mahnte er seine Kirche: „Wir machen nur dann eine schlechte Figur, wenn wir so tun, als wären wir die besseren Ökonomen, Sozialwissenschaftler und Politiker.“ Wie recht Sie haben, Herr Bischof, bedrückend recht, vor und NACH dem Kirchentag – die Hauptvorträge und Hauptpodien lassen grüßen!
Wer die zentralen Veranstaltungen des Kirchentags besucht, dem klingt der Appell für soziale Gerechtigkeit, für ökologisches Wirtschaften, für eine starke Demokratie usw. vielstimmig in den Ohren. Alles wesentliche Elemente einer funktionierenden Gesellschaft, keine Frage. Dies sagt einem hoffentlich auch die Vernunft. Um dies zu betonen, brauche ich kein Christ zu sein. Wer in dem Eintreten für diese Themen aber, explizit oder implizit vermittelt, die Legitimation von Kirche sieht, der hat der Ekklesia Jesu Christi gerade, ob beabsichtigt oder nicht, den Boden unter den Füßen weg gezogen.
Wenn (Frei-)Kirchen welcher Couleur auch immer ins Trudeln geraten, und wie anders soll man die Situation der Ev. Kirche z. B. in Hamburg anders beschreiben, dann hilft nur die Besinnung auf das feste Fundament, das gelegt ist, nämlich Jesus Christus (nach 1. Kor 3,11). Wie wertvoll wäre es, wenn Kirchentage in Zukunft maßgebliche Impulsgeber in diese Richtung wären!?
Ekkehart Vetter