„Doppellecker“: Ehemaliger MV-Pastor wird Gastronom
31. März 2019Michèl Malcin war Pastor mit Leib und Seele. 2009 kam er als hauptamtlicher Seelsorger und Verkündiger in die freikirchliche Thomas-Gemeinde in Ibbenbüren. Sie hat rund 60 Mitglieder und gehört zum Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden. Malcin ging in seiner Tätigkeit voll auf. „Das war meine Berufung. Daran habe ich nie gezweifelt.“ Auch nicht, als ihn 2016 ein Burn-out (Erschöpfungssyndrom) aus der Bahn warf. Erst als er krankgeschrieben war, erkannte er, wie sehr er sich im Dienst für Gott vergessen hatte. „Bei einem Spaziergang fiel mir auf, dass ich zwar wusste, wo meine Gemeindemitglieder arbeiteten, aber nicht, wo der Spielplatz meiner drei Kinder lag.“
Nach einer Therapie in der christlichen Klinik Hohe Mark (Oberursel bei Frankfurt am Main) wurde dem Geistlichen klar, dass er nicht in seinen Beruf zurückkehren wollte. „Ich erkannte, unter welchem Druck ich als Pastor stand.“ Da war die Verpflichtung, der Gemeinde jeden Sonntag in der Predigt „etwas Neues zu erzählen“. Da war das Wissen, von der Spendenbereitschaft der Gemeindemitglieder abhängig zu sein. „Sich selbst nicht so wichtig nehmen und seine Begrenzungen akzeptieren und annehmen – das konnte ich wohl anderen sagen, ich selbst lebte aber völlig anders.“ Das Problem sei nicht einmal Arbeitsüberlastung gewesen, sondern dass er seine eigene Seele nicht mehr wahrgenommen habe: „Ich war in Kontakt mit Gott und der Welt, aber nicht mit meiner Seele – und das hat mich letztendlich ausgebrannt.”
Ende 2017 unterzeichnete Malcin einen Aufhebungsvertrag. Die Trennung sei in aller Freundschaft erfolgt, versichert er. Zu der Gemeinde habe er nach wie vor ein gutes Verhältnis. Zunächst wusste er nicht, wie es weitergehen sollte. Im März 2018 entdeckte er im Internet einen alten Doppeldeckerbus aus Berlin. Die Idee, daraus ein rollendes Café zu entwickeln, ließ ihn nicht mehr los. Schließlich kaufte er den Bus und baute ihn zum „Doppellecker Genussbus“ um. Seit November ist er mit seinem mobilen Arbeitsplatz unterwegs. So hat er einen festen Platz auf dem Wochenmarkt in Ibbenbüren und bewirtet am Wochenende Touristen in Tecklenburg. Der Café-Bus ist für ihn nicht nur Broterwerb, erklärt Malcin. „Das Café ist für mich auch ein Ort, an dem ich Menschen dienen kann.“
Im „Doppellecker“ will Malcin seine Gäste nicht nur bewirten, sondern auch ermutigen. So bekommt jeder Gast immer ein gutes Wort für die Seele. Neben dem Café-Betrieb führt der frühere Pastor Veranstaltungen zu Lebensthemen durch, etwa zu „Wünschen und Herzensträumen“. Der Bus ist nach Malcins Worten „kein Missionbus“, sondern vor allem „ein Ort, wo Menschen einfach sein können“. Es gehe ihm nicht mehr darum, seinen Gästen „zu erzählen, was richtig und falsch ist“, meint Malcin. „Ich ermutige die Menschen, ihr Herz und ihre Seele ernst zu nehmen. Ich bin der festen Überzeugung, dass sie dann auch Gott begegnen können.“
Quelle: ideaSpektrum, Ausgabe 9 / 2019